Meine zwei Leben: Die wahre Geschichte der Eislady (German Edition) by Estibaliz Carranza & Martina Prewein

Autor:Estibaliz Carranza & Martina Prewein [Carranza, Estibaliz]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783990011195
veröffentlicht: 2015-02-16T16:00:00+00:00

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Während der Reise nach Wien herrscht eine angespannte Stimmung im Gefängniswagen. Ein Uniformierter sitzt am Steuer, eine Kollegin neben ihm. Sie reden kein Wort mit mir. Ich spüre, dass sie sich vor mir fürchten. Wahrscheinlich halten sie mich für unberechenbar. Ich bin für sie eine Bestie.

In der Justizanstalt Josefstadt komme ich in eine kleine, stickige Kammer. Eine Beamtin schreit. Leibesvisitation! Ich lasse das gewohnte Prozedere über mich ergehen, befolge alle Anweisungen. Klick. Irgendetwas ist mit einem Mal anders in mir. Ich fühle mich nicht mehr gedemütigt. Ich werde wütend, sehr wütend. Auf die Beamtinnen, die meinen Körper angreifen und so tun, als wäre ich weniger wert als sie. Ich verachte sie. Für ihre herablassende Art, für ihre Dummheit, für ihre Unmenschlichkeit. Sie glauben wirklich, dass sie, bloß weil sie Uniformen tragen, ungeheuer mächtig sind.

Wächterinnen marschieren mit mir über Gänge, der Weg scheint mir endlos. Endlich sind wir am Ziel angelangt. Haftraum 19, Trakt C4, lese ich an einer kleinen Wandtafel.

Dein neues Zuhause, sagt eine Beamtin, öffnet mit einem riesigen Schlüssel ein Eisentor und knallt es dann wütend hinter mir zu. Ich schaue ihr dabei in die Augen. Ich kenne sie. Sie war Stammkundin in meinem Eissalon.

Eine Frau sitzt auf einem der vier Betten. Sie ist jung, nicht älter als 25, hat ein hübsches Gesicht und einen durchtrainierten Körper. Sie begrüßt mich mit einem freundlichen Lächeln. Hallo, ich heiße Elena, bin Serbin und seit sechs Monaten in diesem Gefängnis, erzählt sie mir gleich. Wegen eines Einbruchs, den ich nicht begangen habe. Ich sehe sie an. Wie hast du es nur geschafft, die Zeit hier durchzustehen?

Alles ist nicht so schlimm, wenn du die Gesetze hier kennst. Ich erkläre dir jetzt ein paar Dinge. Die Gefängnisleitung hat mich als Listener für dich eingesetzt. Was, bitte, ist ein Listener? Jemand, der schon länger da ist und dich mit den Regeln vertraut macht. Und die wären? Also, wenn du Geld auf dein Haftkonto bekommst, kannst du Lebensmittel dazukaufen, gesunde Sachen, die du brauchen wirst, denn du bist ja schwanger. Elena scheint viel über mich zu wissen.

Die Tür zu unserer Zelle geht auf. Eine Hausarbeiterin, sie ist auch ein Häftling, gibt mir ein T-Shirt. Schenke ich dir. Danke. Hinter ihr steht eine Türkin. Sie drückt mir einen Kalender mit Landschaftsbildern in die Hand. Schau dir die Fotos an, wenn du gar nicht mehr kannst, flüstert sie mir ins Ohr. Eine Schwarze bringt mir einen Topf mit heißer Gulyas-Suppe. Iss, dein Kleines braucht Nahrung. Ich bin gerührt von der Herzlichkeit meiner Mitinsassinnen.

Elena und ich sind wieder alleine. In einem Knast zu leben, sagt sie, ist wie im Krieg zu sein. Die Justizwachebeamten sind deine Feinde, aber auch auf die Inhaftierten darfst du dich nicht verlassen, weil es unter ihnen viele Verräter gibt. Trau niemandem. Mach dein Herz zu, bau eine Mauer um dich herum auf, zeig keine Schwächen. Ich weiß, das kann ich.

Ein paar Tage bleibt Elena bei mir. Ich lerne von ihr vieles. Wie sich das kleine Waschbecken und das Klo in der Zelle zu einer Dusche umfunktionieren lassen.

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